Die Ausstellung zeigt Skulpturen, Fotos, Videos und Installationen des franko-algerischen Künstlers Kader Attia. Es ist die erste Ausstellung von Kader Attia in der deutschsprachigen Schweiz. Sie kreist um die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen.

Die Schweiz und die Restitution afrikanischer Artefakte

Eintritt

CHF 16.–/11.– (ermässigt und Gruppen)
Freier Eintritt für Mitglieder sowie Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre. Tipp: Mittwochs Ermässigung für Senioren (AHV)

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Hinweis für Gruppen

Wir freuen uns, Sie willkommen zu heissen! Aus organisatorischen Gründen ist eine Voranmeldung erforderlich. info@kunsthaus.ch, +41 44 253 84 84

Kader Attia wurde 1970 als Sohn algerischer Eltern in einem Vorort nördlich von Paris geboren. Die Erfahrung eines Lebens in zwei Kulturen nutzt der heute in Berlin und Paris arbeitende Künstler als Ausgangspunkt für seine bildnerische Praxis.

Neue Videoinstallation

Im Zentrum der Ausstellung «Kader Attia. Remembering the Future», die insgesamt 38 Werke umfasst, steht die neue Videoinstallation «Les entrelacs de l’objet» (2020), die Attia speziell für das Kunsthaus Zürich realisiert hat. Darin thematisiert der Künstler die aktuell viel diskutierte Frage der «Restitution» nicht-westlicher, insbesondere afrikanischer Artefakte. Die Arbeit ist ein Versuch, sich dem komplexen Thema anzunähern. Historikerinnen, Philosophen, Aktivistinnen, Psychoanalytiker und Ökonomen kommen darin zu Wort. Ohne Schuldzu­weisungen trägt Kader Attia die unterschiedlichen Standpunkte zusammen­, mit dem Ziel, eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema zu ermöglichen.

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Kader Attia, Les Entrelacs de l’Objet, 2020, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zürich, 2020, Courtesy of the artist © 2020 ProLitteris, Zurich
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Kader Attia, Indépendance Tchao, 2014, Modern Architecture Genealogy, 2014/2020, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zürich, 2020, Courtesy of the artist and Galerie Nagel Draxler © 2020 ProLitteris, Zurich
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Kader Attia, Les Entrelacs de l’Objet, 2020, Courtesy of the artist © 2020 ProLitteris, Zurich
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Kader Attia, Culture, Another Nature Repaired, 2014–2020, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zürich, 2020, Courtesy of the artist and Galerie Nagel Draxler, Foto: Kader Attia, © 2020 ProLitteris, Zurich
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Kader Attia, La Mer Morte, 2015, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zürich, 2020, Courtesy of the artist, Galerie Nagel Draxler and Regen Projects © 2020 ProLitteris, Zurich

Öffentliche Führungen

Finden an folgenden Daten statt: Sa, 29. August, 13 Uhr / Do, 29. Oktober, 18 Uhr
Kosten: Ausstellungsticket + CHF 6.–/CHF 4.– (Mitglieder)

Private Führungen

Gruppengrösse: max. 12 Personen
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch
Kosten: Ausstellungseintritt + CHF 190.– (Deutsch) / CHF 220.– (andere Sprachen), Dauer: 1 Stunde

Anfragen sollten in der Regel mindestens eine Woche vor dem gewünschten Termin erfolgen.

Kolonialismus und seine Folgen

Die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen beschäftigen Kader Attia seit vielen Jahren. Im ersten Raum der Ausstellung zeigt der Künstler eine Reihe von Collagen sowie Recherchen, die den Verbindungen von moderner Architektur und der Geschichte des Kolonialismus nachgehen. Ein eindrückliches Sinnbild für dieses Zusammenspiel ist die grosse Skulptur «Indépendance Tchao» (2014). Diese verweist auf das inzwischen verlassene «Hôtel de l’Indépendance» aus den 1960er-Jahren in Dakar und ist aus alten Karteikästen der französischen Kolonialpolizei in Algerien gebaut. Während des Unabhängigkeitskrieges wurden in diesen Metallkästen Informationen zu den Aufständischen gesammelt.

Strukturelle Gewalt und Rassismus

Um die strukturelle Gewalt am schwarzen Körper geht es in der Arbeit «The Body’s Legacies. The Post-Colonial Body» (2018). Ausgangspunkt für das Video war ein Vorfall, der sich im Februar 2017 in einem Pariser Vorort ereignete. Damals wurde der junge Schwarze Théo Luhaka bei einer Routinekontrolle durch die Polizei brutal zusammengeschlagen und mit einem Schlagstock vergewaltigt. Diese brutale Form französischer Staatsgewalt nimmt Kader Attia zum Anlass, um darüber nachzudenken, wie es um den Körper ehemals kolonialisierter und versklavter Völker heute steht – ein brandaktuelles Thema, wenn man an den tragischen Tod von George Floyd in den USA denkt.

«Reparatur» und Kader Attia im Kunsthaus

Das Thema von «Verletzung» und «Reparatur» spielt eine wichtige Rolle in Kader Attias Werk. Etwas reparieren heisst, es wiederherzustellen. Doch gleichzeitig bedeutet Reparatur auch Unrecht ausgleichen, wie es z. B. der Begriff der «Reparaturzahlung» zum Ausdruck bringt. Attia spielt in seinen Werken mit der Doppelbedeutung des Wortes und untersucht die unterschiedlichen Konzepte, die in der westlichen und nicht-westlichen Welt hinter dem Begriff stehen. Eine eindrückliche Arbeit zu diesem Thema zeigte Attia 2012 auf der documenta (13) in Kassel. Dort füllte seine Grossinstallation «The Repair from Occident to Extra-Occidental Cultures» einen ganzen Saal. Zu sehen waren Holzbüsten von Menschen mit entstellten Gesichtern. Diese sog. «Gueules cassées» (zerschlagene Gesichter) waren überlebende Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, die aufgrund der grässlichen Verletzungen für den Rest ihres Lebens gezeichnet waren. Kader Attia reiste mit Fotos der Verletzten, die er in deutschen und französischen historischen Archiven gefunden hatte, nach Afrika und stellte in Zusammenarbeit mit traditionellen Kunsthandwerkern die Büsten nach den Fotos in den ehemaligen Kolonien her. Das Werk thematisiert nicht nur die Schrecken des Krieges, sondern verweist auch auf das Verhältnis der westlichen Moderne zu Afrika – und kehrt die Geschichte um. Das Kunsthaus Zürich hat 2015 eine dieser Büsten für seine Sammlung angekauft und inzwischen durch weitere Werke des Künstlers ergänzt. Neben neuen Werken sowie Leihgaben anderer Museen und aus privatem Besitz, werden sie jetzt im Kunsthaus ausgestellt.Kuratorin: Mirjam Varadinis

Unterstützt von Swiss Re – Partner für zeitgenössische Kunst, der Yanghyun Foundation, der Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung und CHRISTEN SVEEAS.

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Abbildung oben:

Kader Attia, Culture: Another Nature Repaired, 2014 Ausstellungsansicht Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne, 2015 Foto: Nora Rupp, Courtesy of the artist, © 2019 ProLitteris, Zurich

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Kader Attia Foto © Camille Millerand

Begleitprogramm

Attia ist nicht nur Künstler, sondern auch Aktivist. In Paris betrieb er bis vor kurzem eine Diskursplattform, an der Menschen unterschiedlichster Kulturen und sozialer Milieus teilnahmen. Gemeinsam mit der Kuratorin der Ausstellung, Mirjam Varadinis, konzipierte Kader Attia für das Kunsthaus Zürich ein Begleitprogramm:

Künstlergespräch

Mit Kader Attia und Ausstellungskuratorin Mirjam Varadinis. Auf Englisch.
Sonntag, 13. September, 11 Uhr. Kunsthaus Zürich. CHF 10.–/CHF 8.– reduziert.
TICKETS

Das Gespräch wird auf unserem YouTube-Kanal live übertragen:
YOUTUBE LIVESTREAM

Symposium «Die postkoloniale Schweiz»

Das Symposium beleuchtet die koloniale Geschichte der Schweiz. Auch wenn die Schweiz keine direkten Kolonien hatte, war sie doch auf vielfältige Weise in das koloniale Projekt involviert. Die Veranstaltung thematisiert ideologische und kulturelle Aspekte sowie ökonomische Verstrickungen und die Auswirkungen in der heutigen Zeit. U.a. mit Patricia Purtschert, Noémi Michel, Bernhard C. Schär, Fatima Moumouni.
Sonntag, 1. November, 14 Uhr

Das Symposium findet nur noch virtuell über unserem YouTube-Kanal statt:
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